Der Weg zu mir selbst begann im Dezember des Jahres 1999. Ich war mir damals nicht bewusst, dass in diesem Jahr tatsächlich der Übergang in ein neues Zeitalter seinen Anfang nahm. Für mich zählte nur, dass meine kleine Welt sich grundlegend veränderte. Ob die Brüche, die ich damals vollzogen habe, notwendig waren, weiß ich nicht. Doch das spielt heute keine Rolle mehr. Ich bin den Weg gegangen, den ich gewählt habe und das mit der mir eigenen Dynamik: mit enormer Kraftanstrengung.
Ich zückte meine Kamera und suchte den besten Ausschnitt. Als der Zoom sich meinem kleinen Steinchen näherte, sah ich erstaunt, dass neben ihm ein Stein lag, auf dem in großen schwarzen Buchstaben ein Name stand: Guillerme. Ich war entzückt. Da hatte doch tatsächlich jemand einen Stein für Guillermo abgelegt! Jetzt machte ich mein Foto auch, um es später Guillermo zu schicken. Er würde sich freuen zu hören, dass seine Last schon am Kreuz lag. Das war am 24. Juli 2010.
Leichter wurde der Weg jedoch nicht für mich. Ich ging - wie so oft in meinem Leben - auch auf dem Jakobsweg weit über meine Grenzen hinaus. Jede Etappe kostete mich eine Menge Kraft. Wir hatten die Zimmer bereits vor unserer Abreise gebucht, so mussten wir abends in einem bestimmten Ort ankommen. Mein nicht gerade fitter Körper plagte sich und trotzdem schaffte ich es und war stolz.
Der Rucksack, so wenig ich auch mit hatte, hing jetzt wie Blei auf meinem Rücken. Es war kaum mehr ein Kilometer, doch er war lang. Hinzu kam der Weg über den Stausee, der glitzernd in der prallen Sonne lag. Diese paar Meter, in denen ich meine Last so brachial auf meinem Rücken spürte, machten mir eines klar: Ich trage hier gar nichts mehr!
Ab diesem denkwürdigen Tag ließ ich meinen Rucksack fahren. Taxis fuhren ihn für eine geringe Gebühr von Ort zu Ort. An jedem Abend wartete er bereits auf mich, wenn ich ins Hotel kam. Das Gefühl war unbeschreiblich.
Die letzte Etappe kam und wir kamen gut in Santiago an. Am Abend liefen wir durch die Straßen - es war erstaunlich leer. An einer Ecke stand ein Pärchen, das zu einer Gitarre Lieder sang. Wir waren die einzigen, die sich niederließen und ihnen eine Zeit lang zuhörten. Die Musik trug uns davon.
Als wir aufbrachen, ging ich zu ihnen rüber und gab ihnen Geld. "Ihr seid bezaubernd zusammen", sagte ich, "wie heißt ihr?" "Cecilia und Guillerme", sagte der Mann. Nun war ich nicht mehr erstaunt. Ich lächelte in mich hinein und wusste, dass dieser Name zu einem Symbol der Freiheit für mich geworden war. Das war am Abend des 05. Juli 2010.